Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Wittgenstein

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Das bittere Ende: Zwölf Tage Kampf, Verzweiflung und ein tödlicher Volltreffer in Wittgenstein

(Quelle: Westfalenpost, erstellt mit NotebookLM)

Es war das Osterfest des Jahres 1945, doch in Wittgenstein lag kein Feiergeist in der Luft – stattdessen herrschte die bleierne Angst vor dem unausweichlichen Ende. Innerhalb von nur elf bis zwölf dramatischen Tagen sollte der Landkrieg die Region zwischen Lahn, Eder und Odeborn erfassen und Tod und Zerstörung bringen. Trotz der völligen Aussichtslosigkeit der militärischen Lage kämpfte das letzte Aufgebot – eine verbissene Mischung aus Wehrmacht, Waffen-SS, Volkssturm und Hitlerjugend – diszipliniert und hartnäckig. Organisierten Widerstand gegen das sinnlose Sterben gab es kaum.

Die Katastrophe zog schnell heran. Nachdem die US-Armee den Rhein bei Remagen überquert hatte, erfolgte ihr Vormarsch in Eiltempo. Marburg fiel am 28. März, und bereits am 29. März, dem Gründonnerstag, besetzten die Amerikaner Biedenkopf.

Die letzte verzweifelte Front: Bad Laasphe

General Bayerlein, der Kommandeur des zerschlagenen 53. Armeekorps, erhielt von Generalfeldmarschall Walter Model den klaren, aber unmöglichen Befehl: Die Amerikaner mussten um jeden Preis aufgehalten werden, um eine Einkesselung zu verhindern. Eine Verteidigungslinie wurde eilig entlang der Lahn von Cölbe bis Bad Laasphe aufgebaut, die „unbedingt zu halten“ war.

Am Gründonnerstag, dem 29. März 1945, rollten die US-Panzer (darunter Verbände der 3. US-Panzerdivision) an der Ludwigshütte vorbei in Richtung Niederlaasphe. Hier versuchte der örtliche Volkssturm vergeblich, die R62 mit gefällten Bäumen zu sperren. Die Amerikaner ließen sich nicht lange aufhalten, umfuhren die Sperre und zogen weiter. Viele verängstigte Niederlaaspher hängten bereits weiße Fahnen aus den Fenstern und suchten Schutz im Wald. Als die Panzerkolonne nur durch das Lahndorf fuhr und in Richtung Puderbach abzog, war der Ort wie durch ein Wunder unbeschadet geblieben – nur die Haustüren standen offen, ein Zeichen des amerikanischen „Besuchs“.

Ganz anders sah es in der Kernstadt Laasphe aus: Hier donnerten die Geschütze. Deutsche Flak-Batterien waren am Fang, am Steinacker und am Bachweg in Stellung gegangen und feuerten auf die aus Hesselbach vorrückenden Amerikaner. Die Bevölkerung suchte Schutz im Felsenkeller der Brauerei Bosch unter dem Steinchen. Die US-Kampfgruppe „Salisbury“ brach den deutschen Widerstand schnell, zerstörte zwei schwere 8,8-Flakgeschütze und nahm 130 Deutsche gefangen.

Doch die Kämpfe flammten erneut auf: Am Ostersamstag, dem 31. März, feuerte deutsche Artillerie vom Schlossberg auf die besetzten Amerikaner in der Stadt. Die US-Soldaten reagierten kompromisslos und schossen das Schloss in Brand. Erst als das Feuer gelöscht und die weiße Fahne gehisst wurde, endeten die Gefechte in diesem Bereich. Mitten in diesem Chaos gab es auch Momente des menschlichen Taus: Kinder, wie der vierjährige Ulrich Fischer, erinnerten sich später daran, wie die Angst schnell wich, als sie von den Amerikanern Schokolade bekamen – ein seltenes und süßes Kriegserlebnis.

Im Norden: Der tödliche Schock von Schwarzenau

Während der Kampf um Laasphe tobte, konzentrierte sich der Vormarsch im nördlichen Sektor am Ostersamstag, dem 31. März, auf Girkhausen, Arfeld und Schwarzenau. Die Deutschen versuchten, den Vormarsch mit allen Mitteln zu stoppen: In Arfeld und Meckhausen wurden die Eisenbahnbrücken von Pionieren gesprengt.

Schwarzenau wurde am Ostersamstag von den Amerikanern besetzt, doch diese Einnahme war blutig erkauft. Mindestens zwölf GIs kamen dabei ums Leben. Die US-Streitkräfte richteten sofort unterhalb des Herrenhauses eine Landepiste für ihre Beobachtungsflugzeuge ein.

Hier nahm das Drama seinen Lauf: Auf dieser eilig eingerichteten Piste standen die US-Militärfahrzeuge dicht gedrängt. Sie boten damit der deutschen Artillerie ein lohnendes Ziel.

Von weit her, vom Sengelsberg in Berleburg, feuerte die verzweifelte deutsche Artillerie einen letzten Gruß. Die Granate schlug mit einem Volltreffer inmitten der amerikanischen Fahrzeuge oder Truppen ein.

Dieser Schuss hätte ein noch größeres Massaker anrichten können. Doch hier offenbarte sich das eigentliche Schicksal der deutschen Verteidiger: Zum Glück für die Amerikaner fehlte den Deutschen die Munition für einen größeren, anhaltenden Feuerschlag. Der Artillerieschlag in Schwarzenau war ein letzter, schmerzhafter Aufschrei des Widerstands, der durch den Mangel an Material schnell wieder verstummte.

Das Nachspiel: Hass und „Umerziehung“

Nach rund zwölf Tagen Kampf in Wittgenstein schwiegen die Waffen ab dem 9. April 1945. Doch die Ruhe war trügerisch. Während die Mehrheit der deutschen Bevölkerung keinen Jubel über das Ende des Nationalsozialismus empfand, feierten die ausländischen Zwangsarbeiter ihre Befreiung mit unverhohlener Freude.

Ein gefährliches Machtvakuum entstand, und Hass entlud sich: Viele befreite Polen, Ukrainer, Russen und Franzosen, die während des Regimes gedemütigt und schlecht ernährt worden waren, machten ihrem Hass auf die Unterdrücker gezielt, aber oft auch willkürlich Luft. Es kam zu Plünderungen, wobei auch Deutsche beteiligt waren. Christian Dickel sen. wurde in der Forstbach bei Berghausen von Polen erschossen. Die Dorfbevölkerung, gewappnet mit Dreschflegeln, Mistgabeln und Knüppeln, ging auf die Lauer.

Gleichzeitig tobte die Nazi-Gewalt bis zur letzten Minute weiter: Laut Gerichtsakten erschossen Wehrmacht, SS und Gestapo ausländische Zwangsarbeiter in Aue, Erndtebrück, Feudingen, Steinbach, Womelsdorf und im Raum Berleburg standrechtlich, weil sie versucht hatten, überzulaufen oder Essen zu suchen.

Die neuen Herren der Region, die US-Militärs, begannen sofort mit der Abrechnung: Mitglieder von NS-Organisationen wurden verhaftet und in Umerziehungslager geschickt, um nach der physischen auch die psychische Befreiung vom Nationalsozialismus einzuleiten.

Die Ereignisse in Wittgenstein waren das Spiegelbild des deutschen Zusammenbruchs: fanatische, aber aussichtslose Abwehrkämpfe, die Zerstörung des Alltags und die chaotische Freisetzung aufgestauten Hasses in den Tagen nach dem Waffenstillstand. Die blutigen Verluste, wie der Volltreffer von Schwarzenau, zeigten, dass der Krieg bis zum letzten Atemzug tödlich blieb.

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